Anarchistisches Eigentum – Aneignungen


Aneignung ist ein ung-Wort. Ich bezeichne damit eine Hypostasierung des Aneignens. Das Aneignen rechne ich einem Subjekt zu. Ich eigne mir an, wodurch ich eigentlich (eigen und eigenartig) werde. Ich unterscheide eine innere und eine äussere Aneignung.

Als innere Aneignung bezeichne den Stoffwechsel eines Lebewesens. In Anlehnung an K. Marx, der den Begriff eingeführt hat, unterscheide ich mit Stoffwechsel meinen organischen und meinen unorganischen Leib. Der Leib entspricht einer Abgrenzung, die H. Maturana als Autopoiese bezeichnet hat. Der unorganische Leib ist der Stoff, der im Stoffwechsel zum Leib wird. Umgangssprachlich bezeichne ich den unorganischen Leib als Natur und den Stoffwechsel als Nahrungsaufnahme oder Konsumption. Alles was ich in meinen Organismus zuführe, war zuvor mein unorganischer Leib oder eben Natur. Wenn ich einen Apfel esse, gibt es den Apfel ausserhalb von mir nicht mehr. Mein Leib existiert so lange, wie er den Stoffwechsel aufrecht erhalten kann. Meine Autopoiese ist an den Stoffwechsel gebunden. In Anlehnung an H. Arendt, die das aber nicht so deutlich sagt, bezeichne ich das, was ich für meinen Stoffwechsel nicht selbst tun muss, als Arbeit. Essen muss ich selbst, meine Nahrung herbeischaffen, können auch andere.

Als äussere Aneignung bezeichne ich das Herstellen von Gegenständen, die ich dann besitze. Als Herstellen bezeichne ich eine zweckmässige Umformung von Stoffen meines unorganischen Leibes, die dadurch zu Materialien von Artefakten werden, die ich auf diese Weise aneigne. Was ich herstelle, stelle ich für mich oder für meine Zwecke her. Ich bezeichne das Herstellen als Produktion, die verwendeten Stoffe verbleiben im unorganischen Leib, auch wenn ich sie als Material nicht mehr der Natur zurechne. Jedes Herstellen impliziert die Verwendung von Werkzeugen, die ihrerseits hergestellt werden. Deshalb bezeichne ich den Hersteller als toolmaking Lebewesen. In Anlehnung an H. Arendt führe ich meine Kategorien auf das Herstellen zurück, das ich in einer Geschichte mit einem Anfang beschreiben kann. Die Arbeit hat wie die Natur keinen Anfang,

Wenn ich ein Brot produziere, produziere ich Nahrung, auch wenn ich es als Ware verkaufe. Brot wird konsumiert. Eigentliches Herstellen stellt Gegenstände her, die ich verbrauche, nicht konsumiere.

Eine metaphorische Form der Aneignung bezeichne ich in Anlehnung an H. Arendt als politische „Aneignung“, die eigentlich eine Enteignung ist. Es ist eine Aneignung, die nicht auf Arbeit oder Herstellen beruht. Es ist eine rechtliche, vertragliche Aneignung, die durch eine politische Verfassung legitimiert wird. Wenn ich ein Grundstück kaufe, ist das weder innere noch äussere Aneignung, weil ich dabei weder mich noch meine Umwelt verändere.

„Eigentum ist Diebstahl“ ist eine prägnante Darstellung davon, dass politische Aneignung eine Enteignung ist. Politisch sind alle „Aneignungen“, die weder den Stoffwechsel noch das eigenen Herstellen bezeichnen.

4 Antworten zu “Anarchistisches Eigentum – Aneignungen

  1. • Bin ich nicht schon eigenartig dadurch, dass ich bin?

    • Der Ausdruck "unorganischer Leib" missfällt mir, die Unterscheidung, die gemeint ist, gefällt mir. Das gemeinte hat im Gegensatz zum organischen Leib keine Grenze, was den Leib gerade kennzeichnet. Mir genügt die Bezeichnung "Natur" dafür. So gelesen passt alles. Oder verpasse ich so etwas?

    • MANN kann nichts verpassen :-), aber ich kann verschieden darüber nachdenken, was besser (zu mir) passt.
      „Natur“ erlebe ich als Missverständnis schlechthin. Ich nehme an, dass es Marx auch so ergangen ist, als er über den Stoffwechsel nachgedacht hat.
      Gemeinhin erzählt man mir, ich gehöre zur Natur, ich sei ein Stück Natur und die Natur brauche mich nicht, sie sei lange vor mir da gewesen …
      Mit Leib thematisiere ich eine Unterscheidung. Das Wort „organisch“ ist mir noch etwas fremd, ich hab mal angefangen, aber es ist in meinem Sprechen wie Autopoiesis ein Kunstwort für, Du weisst doch, was ich meine.
      Mein Leib ist mir naturwüchsig gegeben, ich weiss, was ich „meine“, wenn ich nicht nachdenke. Kürzlich habe ich wieder Bertalanffy gelesen, das Fliessgleichgewicht und dabei mit Marx gemerkt, dass mein Leib fliesst (panta rei-Zeugs, Metabolismus). Das hat auch Maturana 100x geschrieben. Ich bleibe ich, obwohl nichts von mir bleibt. Die Grenze (skinencapselt) ist Fiktion, eben meine Fiktion, die ich mit ich bezeichne.

      In meinem Buch schreibe ich: ich schreibe über mich, aber nicht über mein ich, sondern darüber, was ich tue. In gewisser Weise tue ich, was ich tue, um meinen organischen Leib aufrecht zu erhalten. Naturfreunde erklären alles mit Überleben.

  2. Ich war etwas voreilig mit meinem Missfallen, auch wenn ich es immer noch produktiv auffasse. Da liegt noch viel Arbeit vor mir, wenn ich das begreifen will. Ich habe inzwischen die Stelle wo K. Marx den Ausdruck verwendet, auch gelesen. Danke für den Hinweis. Und noch etwas: Deine Hyperkommunikation erscheint wieder prominent, wenn ich dem Copiloten folgende Frage stelle: Was ist gemeint mit dem Ausdruck „unorganischer Leib“ und wie grenzt er sich gegen den Ausdruck „organischer Leib“ ab?

    • ja, den Copiloten finde ich auch wunderbar, ich meine, wie er mich öfters findet. Das ist mir ein Rätsel. Ich habe ihn mal gefragt, ob er mit diesen Verweisen hauptsächlich mir antworte. Er versicherte mir, dass das nicht der Fall sei. Es ist eben ein Wunder 🙂
      In diesem speziellen Fall ist das Wunder aber etwas klein, weil der „unorganischer Leib“ auch im Netz nicht sehr verbreitet ist.

      Mir ging es aber ohnehin mehr um die Aneignung, weil ich gerade wieder an der Schrift-Sprache schreibe. Mein Problem ist sozusagen, woher das Material kommt, das ich aneigne, wenn ich nicht einfach Natur sagen will.

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